Stadtrat machtlos?

Noch immer kein Einfluss des Stadtrats auf die Stadtwerke – Antrag wird neu gestellt

In der Stadtratssitzung vom 24.07.2025 haben wir unseren „Antrag zur Umsetzung von Art. 93 Abs. 2, Satz 2 und 3 BayGO bei den städtischen Betrieben“ zurückgenommen, um ihn am Montag danach in veränderter Form wieder einzureichen. Was war geschehen?

Im Stadtrat deutet vieles auf eine Mehrheit hin, die sich bei großen und auch öffentlichkeitswirksamen Projekten der Stadtwerke oder der Stadtbau mehr Einfluss wünscht. Das war in der Vergangenheit gelegentlich Thema. Das Hallenbad und die Pläne für das ehemalige Kloster am Stadtplatz 58 sind aktuelle Beispiele. Zudem wird immer wieder bemängelt, dass dem Stadtrat wichtige Informationen aus den Gesellschaften zur Verfügung stehen müssen.

Die Bayerische Gemeindeordnung (BayGO) enthält den klaren Wunsch, dass eine Stadt sich möglichst viel Einfluss auf die eigenen Gesellschaften einräumt und immer informiert wird. Wir haben entsprechend einen Antrag eingebracht, der wie in der BayGO vorgesehen dem Stadtrat ermöglicht hätte, den Aufsichtsratsmitgliedern Weisungen zu erteilen (Art. 93 Abs. 2 Satz 3 BayGO) und von ihnen Informationen zu erhalten (Art. 93 Abs. 2 Satz 2 BayGO).

Kritik von Aufsichtsrät:innen und aus dem Rechtsamt

Bereits im Vorfeld war vor allem von den Mitgliedern des Aufsichtsrats Kritik zu vernehmen. Eine Weisung des Stadtrats könnte die Aufsichtsratsmitglieder in einen Konflikt zwischen ihrer eigenen Meinung und der des Stadtrats bringen. Das wäre besonders fatal, wenn sie die Weisung des Stadtrats für schädlich für die Gesellschaft hielten. Zudem wollten sie wohl im Aufsichtsrat nicht als reine Boten des Stadtrats sitzen.

Tatsächlich haftet die Stadt für die Aufsichtsräte vor allem dann, wenn diese den Weisungen des Stadtrats folgen. Ein nicht ganz unwichtiger Aspekt, der in der Diskussion hätte benannt werden können. Dennoch sind die Einwände nachvollziehbar und gefährdeten zudem den Erfolg des eigentlich wichtigen Antrags.

Es gab auch eine Stellungnahme des Rechtsamts – gewohnt einseitig und vielleicht nicht ganz vollständig. Immerhin stellte der Justiziar fest, dass ein Weisungsrecht in den Gesellschaftsverträgen möglich sei, da die Gesellschaften einen so genannten „fakultativen Aufsichtsrat“ hätten. Hier sind die Eigentümer:innen – in unserem Fall nur die Stadt – in der Gestaltung der Rechte und Pflichten weitgehend frei.

In der Stellungnahme wird aber auch auf mögliche Komplikationen bei einem Weisungsrecht an die Aufsichtsratsmitglieder hingewiesen. Der Justiziar bezog sich hier auf einen Beitrag von Rechtsanwalt Lindt aus der Kanzlei Rödl & Partner zu diesem Thema.

Dabei war es ihm – vermutlich aufgrund der hohen Arbeitsbelastung durch meine Petitionen (s.u.) – wohl entfallen, sich mit der konkreten Rechtslage in Bayern zu beschäftigen. Der Beitrag meines Anwaltskollegen hat den landesrechtlichen Aspekt gerade einmal gestreift, da er allgemein für alle Bundesländer gedacht war. Eigentlich muss man eine Abweichung von einer Soll-Vorschrift wie in der ayGO ja gut begründen. Kann man ja mal vergessen.

Zudem hat der Justiziar wohl übersehen, dass der Beitrag einen konkreten Lösungsvorschlag enthielt. Er meint in seinem Resümee:

Schon im Interesse der Rechtssicherheit ist es deshalb klüger, wenn der Gemeinderat bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrags … diejenigen Entscheidungen, bei denen er im Zweifel doch noch „mitreden” will, nicht dem Aufsichtsrat, sondern der Gesellschafterversammlung zuweist. Denn die Abhängigkeit der gemeindlichen Vertreter in der Gesellschafterversammlung von Beschlüssen des Gemeinderats ist unstreitig.

Manchmal ist es ja doch ganz gut, Texte bis zum Ende zu lesen. Natürlich nur, wenn man die Zeit dazu hat.

Neue Antrag nötig

Die Lösung, nicht den Aufsichtsrat, sondern die Gesellschafterversammlung in die Pflicht zu nehmen ist tatsächlich pragmatischer. In der Gesellschafterversammlung sitzt alleine der Bürgermeister und der muss in wichtigen Fällen den Stadtrat um Entscheidung bitten. Das ist er gewöhnt, auch wenn er es nicht immer für notwendig hält.

Deshalb wären also die wichtigen Themen – sei es wegen ihrer hohen finanziellen Auswirkungen, sei es, weil sie für die Stadt grundsätzliche Bedeutung haben – in die Kompetenzliste der Gesellschafterversammlung einzureihen.

Wäre das Rechtsamt konstruktiv vorgegangen, hätte es natürlich selbst einen solchen alternativen Beschlussvorschlag unterbreiten können. Dann hätte man das in einem Aufwasch erledigen können. Aber konstruktive Arbeit ist nicht jedermanns Sache. So also ein neuer Antrag, eine neue Stellungnahme und eine erneute Befassung im Stadtrat. Warum einfach…?

Kleiner Exkurs am Rande: In derselben Sitzung – bei einem anderen Tagesordnungspunkt – beklagte sich der Bürgermeister darüber, dass die Grünen (gemeint war wohl der Sprecher, also ich) mit vier Prozent aller Petitionen an den Landtag das Rechtsamt übermäßig beanspruchen würden. Daher, so seine Begründung, habe man das Thema „Landkreiswerk“ erst unmittelbar vor der Unterzeichnung auf die Tagesordnung setzen können. Deshalb auch meine Vermutungen über die nicht ganz umfassende Stellungnahme.
Zur Einordnung: Es ging um insgesamt drei Petitionen. Bei rund 1.000 Petitionen pro Halbjahr entspricht das etwa 0,3 %. Rechnen gehört offenbar nicht zu den Kernvoraussetzungen für das Bürgermeisteramt.
Die drei Themen wurden übrigens bereits vor über einem halben Jahr beim Landratsamt als Aufsichtsbeschwerden bekannt gemacht und dann im März im Landtag als Petitionen eingebracht. Drei E-Mails in sechs Monaten – das würde natürlich jeden zeitlich herausfordern.

Letztendlich war es in der Sitzung nicht möglich, den Antrag nochmals komplett umzustellen. Deshalb die Rücknahme und der erneute Antrag.

Die Sache mit der Transparenz

Der Antrag enthält auch den Wunsch nach mehr Informationen aus dem Aufsichtsrat. Der Bürgermeister konnte das gar nicht verstehen, denn die Nichtöffentlichkeit der einzelnen Punkte werde ja von den Aufsichtsratsmitgliedern selbst am Ende einer jeden Aufsichtsratssitzung beschlossen. Das stimmt übrigens. Tatsächlich sieht die Aufsichtsratsordnung vor:

Der Aufsichtsrat beschließt am Ende jeder Sitzung über die konkrete Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder.
Aufsichtsratsordnung der Stadtwerke Mühldorf
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Wäre zu prüfen, ob sich die Mitglieder dessen bewusst sind. Wissen sie auch, dass sie nach der BayGO zur Information der Stadt – und auch des Stadtrats – verpflichtet sind? Wissen sie, dass sie differenzieren können und eine Geheimhaltung gegenüber der Allgemeinheit aber eine Information des Stadtrats in nichtöffentlicher Sitzung beschließen können?

Das Thema dürfte uns noch eine Weile beschäftigen.

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