PM: Raumluft in Klassenzimmern

Maskenpflicht
Maskenpflicht, ⓒ Matthias Kraft

Pressenitteilung

Für die letzte Stadtratssitzung vor den Sommerferien hatten die Grünen einen Antrag auf Beschaffung von Raumluftfiltern in städtischen Schulen und Kindergärten eingebracht. Nach einer langen, teils zähen und chaotischen Debatte einigte sich der Stadtrat mit einer Gegenstimme auf eine nahezu wortgleiche Formulierung, wie sie eine knappe Woche zuvor im Kreistag verabschiedet wurde.

Die Grundeinstellungen des Landratsamtes und der Stadtverwaltung unterscheiden sich deutlich“, erläutert der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Matthias Kraft, das an sich gleich wirkende Ergebnis. Im Kreis sei die Initiative von der Verwaltung ausgegangen, die offensichtlich vor den Ferien noch Zeit zum Handeln gesehen habe. 

Bürgermeister Hetzl hat bereits bei der Einleitung den Beschluss des Kreistags als Aufforderung zum Abwarten gewertet“, meint Kraft. Er habe sich mit Maximalforderungen alle Mühe gegeben, die Anschaffung als zu teuer und nutzlos darzustellen. Höhepunkt sei eine Präsentation der angeblichen Lautstärke der Geräte über die Raumlautsprecher gewesen. Aus Sicht des Fraktionssprechers „spiegelt das so nicht einmal ansatzweise die reale Situation wider.“ Noch dazu gäbe es inzwischen nochmals 75% leisere Geräte.

Bereits in der Debatte mahnten Dr. Georg Gafus und Stephan Schinko deutlich zur Präzision und Sachlichkeit. Zacharias Spörl bemängelte den doch recht unfairen Umgang miteinander. 

Der Bürgermeister operiert nicht zum ersten Mal mit falschen Zahlen und Fakten.“ meint Gafus. „Das setzt sich hier wohl fort.“ Als Beispiel nannte er die Zahl von 10.000 Sozialwohnungen bei der Kreiswohnbau, die Hetzl in einer der letzten Sitzungen nannte und auf Nachfrage bestätigte. Tatsächlich seien es nicht einmal 500. Solche Fehler erkenne man ja sofort, aber was ist mit anderen? Wiederholte falsche Aussagen führten eben zu einem Vertrauensverlust.

Die ganze Diskussion war schlecht vorbereitet“ ärgert sich auch Schinko, der den Antrag präzise ausgearbeitet und begründet hatte, „wissenschaftlich und unpolitisch“ betonte er. Die Verwaltung hätte die Handlungsoptionen übersichtlich darstellen, die Zahlen parat haben und Modelle auch für eine schrittweise Einführung entwerfen müssen. „So ist das Thema über Stunden zerredet worden und am Ende wurde auf keinen der Vorschläge aus dem Gremium eingegangen.“ Nicht einmal der modifizierte Beschluss des Kreistags habe in den Unterlagen gelegen.

Wahrscheinlich war bis zum Schluss nicht klar und deutlich, dass Luftfilter die einzige realistische Möglichkeit bieten, noch vor dem Winter eine Verbesserung der Raumluft zu erreichen. Und das übrigens auch nur, wenn sofort mit der recht langen Prozedur begonnen wird“, fasst Kraft die Debatte zusammen. „Am Ende ging‘s trotz aller Bekenntnisse nur ums Geld.“ Er hatte als einziger gegen den aus seiner Sicht viel zu wachsweichen Beschlusstext gestimmt. 


Stellungnahme

In der Sitzung des Stadtrats vom 22.07.2021 wurde auf Antrag der Grünen rege diskutiert, ob man in den städtischen Schulen und Kindergärten Raumluftfilter installieren sollte, um nach den Ferien eine gesündere Raumluft in den Zimmern herzustellen.

Im Ergebnis wurde die Stadtverwaltung beauftragt, eine Beschaffung vorzubereiten. Die Beschaffung selbst wird vom „Nachweis der Sinnhaftigkeit“ der Geräte abhängig gemacht.

Die Diskussion war unübersichtlich und nicht immer ganz sachlich. Eine geordnete Rückschau fällt schwer. Wir geben uns Mühe, über eine Gliederung etwas Struktur zu schaffen.

Handlungsoptionen

Grundsätzlich gibt es zur Verbesserung der Raumluft folgende Optionen:

  • Zentrale Lüftungsanlagen mit Wärmetauscher.
  • Dezentrale Lüftungsanlagen (mit Wärmetauschern)
  • Luftreinigungsgeräte
  • Keine Anschaffung

Zentrale Lüftungsanlagen

Zentrale Lüftungsanlagen sind unstreitig die beste Lösung. Sie tauschen die Luft ähnlich wie beim Lüften aus und verringern somit nicht nur die Konzentration von Viren, sondern auch die des CO2. Sie sind recht geräuscharm und stellen eine Alternative zum regelmäßigen Lüften dar. Sie sind mit einer Wäremerückgewinnung ausgestattet, bei der die ausströmende Luft die einströmende aufwärmt. Deshalb gelten diese Anlagen trotz Energiebedarfs als energetisch effizienter gegenüber klassischem Lüften. 

Lüftungsanlagen werden mit 80% vom Land gefördert.

Auch bei zentralen Lüftungsanlagen wird durch die Umwälzung eine Luftbewegung womöglich teils unangenehm spürbar. Größtes Manko ist allerdings, dass sie im Prinzip nur beim Neubau oder größeren Sanierungsmaßnahmen eingebaut werden können.

Dezentrale Lüftungsanlagen

Die Wirkweise dieser Anlagen entspricht der zentralen Installation. Wesentlicher Vorteil ist, dass die Anlagen leichter nachzurüsten sind.

Allerdings ist die Anlage etwas lauter und benötigt Platz im Raum. Auch bei dezentralen Lüftungen muss ein Durchbruch nach Außen geschaffen werden, weshalb die Installation nicht einfach und entsprechend zeitaufwändig ist. Im aktuellen Fall wurde eine Installation für diesen Winter als gänzlich unrealistisch betrachtet.

Luftreinigung mit Filtern

Luftfilter filtern unstreitig recht effizient Viren aus der Luft. Der Grad der Wirkung hängt dabei von den Filtern und von der (eingestellten) Leistung der Anlage ab. Man wird davon ausgehen können, dass die Effizienz der Virenbeseitigung gegenüber den Lüftern nicht zurückfällt. Großer Vorteil der Luftreinigung mit mobilen Filteranlagen ist die problemlose Installation. 

De facto stellen sie die einzige Maßnahme dar, die noch vor dem Winter realisierbar ist. Luftfilter werden mit etwa 50% gefördert.

Dem steht eine Reihe von Nachteilen gegenüber. Zum einen beeinflussen die Filter den CO2-Gehalt nicht. Damit muss, wie auch schon vor der Krise, weiterhin gelüftet werden. Die Lüftungsintensität ist aber nicht mehr (so) abhängig von den Krisenfaktoren. 

Filter sind also weniger nachhaltig als Lüftungsgeräte. Über die Lautstärke gibt es unterschiedliche Erfahrungsberichte. (Es gibt wenig Gründe davon auszugehen, dass die Anlagen deutlich lauter sind als dezentrale Lüftungsanlagen.) Die Wartungskosten sind aufgrund des regelmäßigen Filtertauschs höher.

Zusammenfassung

 Zentrale 
Lüftung
Dezentrale LüftungMobile Filter 
(+ lüften)
Verbesserung bei Viren✔︎✔︎✔︎
Verbesserung bei CO2✔︎✔︎ 
Installierbar im Bestand ✔︎✔︎
Installierbar bis zum Winter  ✔︎
Verbesserung des Schulbetriebs 
(keine Masken, bessere Öffnung)
Bisher unklar. Lt. Kultusministerium Sache der regionalen Gesundheitsämter
Nachhaltige Investition✔︎✔︎1)2)
Geräuschentwicklung+~~3)
Luftbewegung~~~
  1. Grundsätzlich außerhalb der Krise sinnvoll, aber abhängig von der langfristigen Planung. Nicht mobil, also schwerer an anderen Orten zu verwenden.
  2. Außerhalb der Krise weniger nutzbar. Aufgrund der Mobilität aber flexibler einsatzbar und veräußerbar. Letztlich abhängig von der langfristigen Planung und von der Finanzierung. 
  3. Z.Zt. sind Geräte mit 40db Stand der Technik. Diese stellen wohl keine nennenswerte Belastung mehr dar.

Bewertung

Grundsätzlich sind die beantragten Luftfilter die einzige Option, noch in diesem Winter die Luftreinheit der Schul- und Kindergartenräume besser vor Viren zu schützen. Damit reduziert sich die Entscheidung auf folgende Fragen:

  • Ist die formale Verbesserung des Schulbetriebs der einzige Maßstab für die Sinnhaftigkeit der Maßnahme?
  • Ist die Stadt bereit, für die Gesundheit der Kinder auch eine nicht langfristig wirksame Investition zu tätigen?
  • Gibt es Möglichkeiten, die Folgen der Übergangslösung abzufedern, etwa durch Leasing, Weiterverkauf, anderweitige Nutzung oder Kompromisse in Schul- und Kindergartenbetrieb?

Verbesserung des Schulbetriebs

Die Möglichkeit, keine Masken mehr zu tragen oder die Schule länger öffnen zu können, kann sicher ein wichtiger Effekt der Luftfilter sein. Aus der Diskussion ließ sich allerdings herleiten, dass bei der Beantwortung der Fragen viele politische Interessen eine Rolle spielen. Sollte nämlich die Staatsregierung hier eine Entscheidung treffen und die Schulöffnung und Maskenpflicht bei Filteranlagen erleichtern, wird von ihr eine Vollfinanzierung erwartet. So belässt sie es derzeit bei einer 50%igen Förderung und eindringlichen Appellen.

Wir gehen davon aus, dass diese Appelle nicht ohne Grund erfolgen und die Luftfilter eine spürbare Verbesserung der Gesundheitssituationder Kinder herbeiführen. Das sollte als Nachweis der Sinnhaftigkeit der Filter ausreichen. Wir gehen zudem davon aus, dass der politische Druck hier noch zu klareren Regelungen zugunsten der Luftfilter führen wird.

Bereitschaft zur Übergangslösung

Grundsätzlich haben alle Fraktionen bestätigt, dass für die Gesundheit der Kinder Geld keine Rolle spielen sollte. Deshalb sollte selbstverständlich auch die Bereitschaft für eine Investition bestehen, deren Nachhaltigkeit noch nicht geklärt ist. Es ist einer solchen Krise immanent, dass auch Investitionen getätigt werden, die nur in diesem Zeitfenster sinnvoll sind. Das ist bedauerlich, aber eben notwendig.

Kompromisslösungen

Durch die Verwaltung zu prüfen sind Alternativen zum Kauf der Geräte (z.B. Leasing) oder die Option des späteren Verkaufs. Ebenso ist zu prüfen, ob die Geräte später andernorts in der Stadt noch sinnvolle Dienste leisten können. Luftfilteranlagen gibt es ja nicht erst seit der Corona-Krise. 

Zudem halten wir nichts von der Aussage aus den Reihen der Bürgermeisterfraktion, dass nur eine Beschaffung nach dem Motto „ganz oder gar nicht“ sinnvoll ist. Damit besteht das Risiko, dass es auf ein „gar nicht“ hinausläuft. Anstelle eines Kompromisses etwa mit Unterricht in den Klassenzimmern und einem Verzicht auf den Musiksaal würde dann der gesamte Unterricht wieder digital stattfinden. 

Wir sollten keinesfalls das Bessere zum Feind des Guten machen.

Vielmehr ist zu prüfen, ob in einem schrittweisen Vorgehen zunächst die Klassenräume ausgestattet werden. In einem weiteren Schritt können dann die Klassenräume mit Belüftungsanlagen nachgerüstet werden und die Funktionsräume mit den verbleibenden Filtern. In einem dritten Schritt wäre eine Vollausstattung mit Belüftungsanlagen zu erwägen. Ähnliche Konzepte könnten in den Kindergärten geprüft werden.

Zudem sind wir der Ansicht, dass ein Präsenzunterricht vor allem der ersten Klassenstufen oberste Priorität haben sollte und die Beschaffung entsprechend zu organisieren ist.

Fazit

Aufgrund der Eilbedürftigkeit, der Zeitdauer des notwendigen Ausschreibungsverfahrens und des Risikos deutlich verlängerter Lieferzeiten muss das Verfahren sofort, also noch vor den Ferien in die Wege geleitet werden. Das notwendige Instrumentarium hat der Stadtrat der Verwaltung nun genehmigt.

Umgang im Stadtrat

Neben der fachlichen Diskussion hat die Behandlung des Tagesordnungspunktes noch einige Schwächen im Miteinander offenbart, die leider nicht unkommentiert bleiben können. Insbesondere stellte sich die Frage, warum der Stadtrat sich mit einem fast wortgleichen Beschlussvorschlag deutlich schwerer tat als der Kreistag eine knappe Woche zuvor.

Initiative und Standpunkt

Ein wesentlicher Unterschied war die Initiative zur Entscheidung. Im Kreistag wurde der Antrag vom Landrat eingebracht, der wohl sich und seiner Verwaltung über die Ferienzeit Handlungsspielraum verschaffen wollte. Damit war ein Interesse des LRA signalisiert, hier tätig zu werden. In dieser Situation kann der unklare Beschlusstext durchaus als Handlungsauftrag verstanden werden.

Im Stadtrat hatten mehrere Parteien schon über Monate durch Anfragen die Raumluft immer wieder angesprochen. Dennoch wurde das Thema nicht vom Bürgermeister und seiner Verwaltung eingebracht, sondern musste von Stadtrat und Umweltreferent Stephan Schinko akribisch ausformuliert und von den Grünen beantragt werden. 

Positionierung des Bürgermeisters

Der Bürgermeister begann die Präsentation mit der Feststellung, der Landkreis werde auf Basis des Antrags erst einmal nichts tun, und gab damit eine klare Richtung vor. 

Das mündlich und schriftlich vorgelegte Zahlenwerk beschrieb maximalen Aufwand und Kosten. Eine Simulation der Lautstärke der Raumlüfter über die Tonanlage des Stadtsaals war bar jeder Seriosität. Beides diente ganz offensichtlich der Abschreckung und dem Ziel, den Antrag zu Fall zu bringen.

Anders ist auch nicht zu erklären, warum weder der Antrag der Grünen noch der offensichtlich mit heißer Nadel vorbereitete Antrag der Verwaltung als Beschlussvorschlag vorgelegt wurden.

Schlechte Vorbereitung

Angesichts des doch recht langen Vorlaufs bei dem Thema war die Vorbereitung der Sitzung durch die Verwaltung im übrigen leider beanstandenswert. Weder wurden die Handlungsoptionen übersichtlich dargestellt, noch hatte die Verwaltung naheliegende Zahlen und Fakten parat noch gab es einen substantiierten Entscheidungsvorschlag. 

Anders als im Kreistag, war das Thema auch nicht in einem Ausschuss vorbesprochen worden. Die Folge war eine über weite Teile völlig unstrukturierte, langatmige Debatte, die sich immer wieder im Kreis drehte und nicht auf die wesentlichen Fragestellungen konzentrierte.

Hinweise aus der Fraktion der Grünen

In diesem Zusammenhang sind Hinweise aus den Reihen der Grünen zu verstehen, die mangelnde Sachlichkeit und Objektivität vor allem beim Vortrag des Bürgermeisters anmahnten. 

Falsche Aussagen des Bürgermeisters in der Vergangenheit (Verwechslung von Gewinn und Ertrag der Erzdiözese München und Freising oder die angeblichen 10.000 Sozialwohnungen bei der Kreiswohnbau waren womöglich nur die deutliche Spitze des Eisbergs) und die monatelange Verzögerung der Veränderungssperre an der Töginger Straße haben das Vertrauen stark erschüttert. Dieses muss nunmehr erst wieder aufgebaut werden.

Ergebnis

Am Ende der Debatte wurde der Beschluss des Kreistags vom Stadtrat in leicht modifizierter Form auch mit den Stimmen der Mehrheit der Grünen angenommen. Damit sollte der Weg zu einer Anschaffung der Lüfter noch vor dem Winter offengehalten werden. 

Der Fraktionssprecher der Grünen hatte bereits angekündigt, dass er einem Beschluss, der keine Klarheit über den Begriff „Nachweis der Sinnhaftigkeit“ und der keine Zeitvorgabe enthalte, nicht zustimmen werde. Dabei blieb er konsequent. Klar ist, dass Luftfilter aktuell die einzige Option sind, am Raumklima in Schulen und Kindergärten in diesem Winter noch etwas zu verbessern – und das geht auch nur, wenn man mit Beschaffungsprozedere sofort begonnen wird.