Hinweis: In der Kategorie Kolumne
bieten wir eine Plattform für einzelne Mitglieder:innen, ihre ganz persönliche Meinung – durchaus auch einmal sehr pointiert – zu äußern und zu veröffentlichen. Dabei handelt es sich aber weder um die offizielle Meinung der Fraktion noch des Ortsverbands.
In diesen Tagen dürfte viel von Wahrheit, Halbwahrheit und Unwahrheit die Rede sein – und davon, wie man Zahlen zurechtrückt oder unter den Tisch fallen lässt. Zur Einstimmung ein altbekanntes Thema: der Rufbus – eigentlich das Lieblingsprojekt von Dr. Georg Gafus. Ich greife es hier noch einmal auf, um das grundlegende Prinzip exemplarisch zu zeigen.
Vor einigen Tagen zitierte der Mühldorfer Anzeiger Bürgermeister Michael Herzl wie folgt:
Was will der Bürgermeister damit sagen? Die Antwort ist simpel: Es geht um Imagepflege. Der Rufbus, das Prestigeprojekt von Bürgermeister und Verwaltung, steht in der Kritik. Zu teuer, zu ineffizient. Also muss der Chef das Projekt in gutem Licht erscheinen lassen. Die vermeintlich höhere Fahrgastzahl soll Akzeptanz signalisieren – und die rund 70.000 € Monatskosten rechtfertigen. Zum Vergleich: Der Stadtbus kostete zuletzt gut 10.000 € im Monat.
Kann man die Zahlen vergleichen?
Nein. Es ist der Klassiker: Äpfel versus Birnen.
Beim Rufbus ist die Sache klar – jede Fahrt wird gezählt, unabhängig vom Tickettyp. Beim Stadtbus hingegen wird’s unübersichtlich. Es gab Einzeltickets, Zehnerkarten, Monatskarten und das Deutschlandticket.
Gezählt wurden aber nur die verkauften Einzelfahrscheine. Kein Scherz!
Der Bürgermeister nimmt also als Gesamtfahrgastzahl die Zahl der verkauften Einzeltickets. Das waren im schlechtesten Monat (August 2023) tatsächlich knapp 1800. Das ist aber nur ein kleiner Ausschnitt. Im Schnitt waren es gut 2000 Einzeltickets monatlich. Hinzu kamen im Mittel 130 Zehnerkarten pro Monat, also rund 1300 zusätzliche Fahrten. Die? Werden einfach ignoriert – angeblich, weil man nicht weiß, wann sie eingelöst wurden. Ernsthaft!
Auch alle Zeitkarten bleiben außen vor. Dabei kennt man bei Monatskarten immerhin die Verkaufszahlen – beim Deutschlandticket allerdings nicht mal das. Weil man sich nicht auf eine nachvollziehbare Schätzmethode einigen wollte, verzichtete man lieber ganz aufs Rechnen.
Wer sich doch die Mühe macht zu rechnen, kommt schnell weiter: Erfahrungswerte aus dem Rufbus deuten darauf hin, dass Zeitkarten die Zahl der registrierten Tickets etwa verdoppeln. Also:
(2000 + 1300) × 2 = 6600 Fahrten pro Monat.
Und damit zu den Kosten pro Fahrgast für die Stadt:
Stadtbus: 10.000 € / 6600 ≈ 1,52 €
Rufbus: 70.000 € / 3000 ≈ 23,33 €
Der Rufbus ist also in vielen Fällen – freilich für die Stadt – teurer als ein Taxi, zumal man im Taxi pro Fahrt und nicht pro Fahrgast rechnet.
Was ist Wahrheit?
Nach dieser Definition ist die zitierte Aussage bestenfalls ein sehr großzügig formuliertes Fragment von Wahrheit. Tatsächlich wurden im August 2023 einmal 1800 Einzeltickets verkauft – das stimmt. Nur: Die Aussage „Früher transportierte der Stadtbus etwa 1800 Fahrgäste pro Monat“ ist keine faire Darstellung, sondern eine bewusste Reduktion auf den kleinstmöglichen Wert – mit dem Ziel, den Rufbus besser aussehen zu lassen.
Wir wissen mit Sicherheit, dass der Stadtbus deutlich mehr Fahrgäste hatte. Viele wurden schlicht nie gezählt – nicht, weil sie nicht fuhren, sondern weil man sich dafür nicht interessierte. Beim Rufbus dagegen ist jede Fahrt in der Statistik. Und genau diese Diskrepanz nutzt der Bürgermeister – um ein Narrativ zu bedienen, das so nicht stimmt.
Die Aussage: „Früher transportierte der Stadtbus etwa 1800 Fahrgäste pro Monat, beim Rufbus sind es monatlich circa 3000 Fahrgäste.“ erweckt den Eindruck, der Rufbus sei der deutlich erfolgreichere Nachfolger. Die Zahlenbasis ist aber irreführend, der Vergleich unredlich, die Aussage mit der Wirklichkeit nicht vereinbar. Wenn man redlich rechnet, kommt man zu einem anderen Ergebnis
Fazit
Wer so argumentiert, sagt nicht einfach die Unwahrheit – er dreht an den Stellschrauben der Wahrnehmung. Schade eigentlich, dass man nicht einmal der Lokalpolitik mehr trauen kann.