Hinweis: In der Kategorie Kolumne
bieten wir eine Plattform für einzelne Mitglieder:innen, ihre ganz persönliche Meinung – durchaus auch einmal sehr pointiert – zu äußern und zu veröffentlichen. Dabei handelt es sich aber weder um die offizielle Meinung der Fraktion noch des Ortsverbands.
In der letzten Sitzung des BUVA stand der Inn-Stadt-Park auf der Tagesordnung – mal wieder. Es wurde viel vorgelesen, ungewöhnlich viel. Es wurde viel geredet. Auch viel aneinander vorbei. Aber worum geht es im Kern? Hier der Versuch einer Klärung.
Beginnen will ich mit dem ISEK, dem Integrierten Stadtentwicklungskonzept. Es wurde 2019 fertiggestellt und bildet eine Zäsur einer Planung, die ihren Ursprung bereits 1991 mit der Ausweisung der Altstadt als Sanierungsgebiet hat. Wer sich im Detail interessiert, wird hier sicher fündig https://www.muehldorf.de/files/isek_endfassung.pdf. Die Lektüre lohnt sich!
Das Konzept, das übrigens in der ungewöhnlich detaillierten Vorlage zum BUVA mit keiner Silbe erwähnt wird, formuliert die Ziele zwischen Altstadt und Inn wie folgt:
- Stärkung des Grün- und Funktionsgürtels um die Altstadt, Vernetzung
- Stärkung bestehender Parkplatzstandorte
- Verbesserung der Zugänglichkeit zum Inn
- Freilegung und Freihaltung der Stadtansicht
- fußgänger- und radfahrerfreundlicher Umbau des Kreuzungsbereiches Innstraße / Leopoldstraße (kreuzungsfrei)
- funktionale Aufwertung des Bereiches
- Sicherung der Nahversorgung in der Altstadt durch Erhalt des Lebensmittelmarktes
Übrig geblieben sind
- ein Parkhaus,
- ein Nahversorger,
- Gastronomie,
- Grünflächen und
- X
Im Prinzip besteht darüber auch Einigkeit. Der Teufel steckt wie immer im Detail und im Besonderen im „X“. Die meisten Details betreffen weniger das „Ob“ sondern mehr das „Wo“ und das „Wie“.
Parkhaus (oder Parkhäuser)
Ausgangspunkt der gesamten Planung ist der mittlerweile Jahrzehnte lange Ruf der Aktionsgemeinschaft „Mühldorf vor Ort“ nach deutlich mehr Parkplätzen. Hinzu kommt der allgemeine Wunsch nach einer Beruhigung des Stadtplatzes und einer damit einhergehenden Umschichtung von Parkraum.
Grundsätzlich herrscht wohl Einigkeit, dass Parkraum effizienter in die Höhe gebaut wird und nicht zu immer mehr Flächenbedarf führen soll. Moderne Parkhäuser lassen sich gut dem Bedarf anpassen, indem sie leicht aufgestockt, aber auch verkleinert werden können. Das ist durchaus nachhaltig. Einigkeit besteht also über den Bedarf von einem oder mehreren Parkhäusern.
Uneins ist man über das „Wieviel“ und „Wo“. UM und Rathaus plädieren für eine zentrales Parkhaus zwischen Altstadt und Inn. Dafür möchten sie auch Parkplätze am Stadtwall aufgeben. Andere plädieren dafür, auch am Stadtwall vorhandene Parkplätze moderat aufzustocken. Die Grünen rufen seit Jahren nach einem unabhängigen, professionellen Parkraumkonzept. Erster Schritt sollte ein digitales Parkleitsystem sein, um rasch den vorhandenen Parkraum besser ausschöpfen zu können.
Ein größerer Konflikt besteht bei der Frage nach dem „Wo“ auf dem Gelände zwischen Altstadt und Inn. Sofort und somit in der bestehenden Bebauung (also mit Schwimmbad und allen Privathäusern) gibt es drei Optionen, die sich auch auf die übrigen Themen auswirken:
- (2019): Ein verhältnismäßig kleines Parkhaus auf dem „Zentralparkplatz“ zwischen Schwimmbad und den Häusern an der Ecke Leopoldstraße – Innstraße. Das ist der Vorschlag aus dem Jahr 2019.
- (Campus): Ein etwas größeres Parkhaus zwischen Schwimmbad und Norma. Das ist der Vorschlag aus dem aktuellen CSU-Konzept zur Verlagerung des Campus.
- (Ideenwettbewerb): Ein großes Parkhaus auf dem Parkplatz südlich des Standorts aus Variante 1. Das entspricht der Planung des Siegerentwurfs beim Ideenwettbewerb zu dieser Fläche.
Dabei sehen die Vorschläge 1 und 2 eine schrittweisen Ausbau vor, sofern das Schwimmbad verlagert wird. Der dritte Vorschlag hält als Option immer noch eine Erweiterung in Richtung Grundschule offen. Bewerten lassen sich die Varianten immer nur mit Blick auf das jeweilige Gesamtkonzept. Hier deshalb nur kurz die Positionen.
- Variante 1 ist rasch realisierbar und kann bei einer Verlagerung des Schwimmbads gut erweitert werden. Dagegen spricht, dass die beiden aktuell diskutierten Entwürfe an dieser Stelle andere Bebauung vorsehen. Damit wäre aktuell wohl keine Partei zufrieden.
- Variante 2 ist ebenso rasch realisierbar. Gegen sie wird vorgebracht, dass sie einen Schluss des Grüngürtels vereitelt. Bei kompakter Bauweise würde die Variante allerdings nicht einmal die Hälfte der Distanz zwischen den Grundstücken im Westen und Osten belegen. Die verbleibenden gut 35m reichen leicht für großzügige Alleen beidseits des Parkhauses aus. Sie führen damit zu einer deutlichen Verbesserung auch bezüglich des Grüngürtels um die Stadt. Allerdings befindet sich das Parkhaus womöglich zu nah an Grundstücken derer, die ein Parkhaus am lautesten einfordern.
- Auch Variante 3 kann zeitnah realisiert werden. Sie ist allerdings auf einem Bereich geplant, den die anderen Vorschläge weitgehend als Grünfläche vorsehen. Die Planung sieht auch keinen Rückbau vor, falls die Nutzung nachlässt. Angedacht ist vielmehr eine Umnutzung als Bürofläche. Bisher auch vorgesehen ist eine optionale Erweiterung um ein drittes Parkhaus im Südwesten. Damit verhindert diese Variante dauerhaft eine Nutzung der Fläche zwischen Altstadt und Inn als Grünfläche für die Allgemeinheit.
Nahversorger
Es besteht kein Zweifel, dass für den Innenstadtbereich ein Lebensmittelnahversorger essenziell ist. Im Raum steht die Aussage der Verwaltung, dass die großen Lebensmittelhändler mindestens 1.000qm Fläche für ein neues Ladengeschäft erwarten. Strittig ist auch die Reichweite des Nahversorgers. Es gibt erneut drei Varianten:
- Ursprünglich (2009) war vorgesehen, den vorhandenen Netto in Richtung Schwimmbad auszubauen. Mangels Kooperation der Beteiligten muss dieser sicher am wenigsten invasive Vorschlag verworfen werden.
- Variante 2, die Campus-Variante, geht von einer erheblichen Steigerung des Kundenpotentials eines Nahversorgers durch Studierende aus. Entsprechend soll der Nahversorger in die Campus-Planung integriert und näher an die Altstadt herangeführt werden.
- Variante 3 geht eher von einem größeren Supermarkt auf dem Gelände westlich des Schwimmbads an der Innstraße aus. Dieser soll auch Kunden aus einem größeren Umfeld in die Stadt ziehen. Entsprechend sind hierfür Parkplätze zu planen.
Gastronomie
Auch hier ist die Lage strittig. Während der Siegerentwurf, also Variante 3, eine Gastronomie im Umfeld eines neueren kleinen Zentrums im Bereich von Parkhaus und Nahversorger sieht, gehen andere Vorschläge von einer Gastronomie in der Nähe des Inns, mit Blick auf Altstadt, Fluss oder gar beides aus.
Grünflächen
Zur angepeilten Grünfläche gehört sowohl der Bereich zwischen Norma und Musikschule, als auch die Verbindung zwischen Altstadt und Inn. Zudem stellt das ISEK klar, dass auch die „Rückwärtigen Grundstücksbereiche“ zur Stärkung des Grüngürtels beitragen und dafür „freigemacht oder freigehalten“ werden sollen.
Gemeinsam ist allen Varianten eine deutlich grünere Neugestaltung der Luitpoldallee als echte Allee. Nach der Reduzierung des Siegerentwurfs um ein Parkhaus gehen auch alle Entwürfe von einer mehr oder weniger breiten Verbindung zwischen Altstadt und Inn aus.
Dennoch ist die Dimensionierung der Grünflächen ein ganz wesentlicher Punkt der Kontroverse.
- Variante 1 (2019) und 2 (Campus) sehen im Fokus eine große Grünfläche zwischen Altstadt und Inn. Sie wäre ca. 50m-70m breit und multifunktional nutzbar, etwa für Spielplätze, Sport oder Kulturveranstaltungen. Im einen Fall wäre dies ein reiner Bürger:innenpark, im anderen würde die Anlage auch von Studierenden stärker belebt. Für eine bessere Anbindung des Inns ist zudem eine Einhausung der ehem. B12 oder eine breite Unterführung angedacht.
- Variante 3 (Siegerentwurf) sieht diese Nutzungsform in reduzierter Form entlang der Luitpoldallee. Dagegen ist im Bereich entlang der Grundschule weiterhin als Option eine Erweiterung des Parkhauses und damit ein fast vollständiger Wegfall dieser Grünachse vorgesehen. Der Inn wird über eine verbesserte Straßenquerung, etwa durch eine Ampel oder einen Zebrastreifen erschlossen.
Die Variable X
Wahrscheinlich ist die Idee, noch weitere Bauvorhaben zu planen, unter den Punkt „funktionale Aufwertung des Bereiches“ im ISEK zu verbuchen. Hier jedenfalls bestehen die weitaus größten Divergenzen.
- Die Planung von 2019 sieht an der Ostfassade eines zweiten Parkhauses (nach Entfall des Hallenbades) ein neues Heim für das Stadtarchiv vor. Es dient wohl primär der optischen Verschönerung des Parkhauses in Richtung Innenstadt und ist auch nicht sehr raumgreifend. Das ergibt letztlich den größten Spielraum für Grünflächen.
- Ganz anders die Variante 2 (Campus). Sie plant auf der nördlichen Fläche zwischen Altstadt und Inn einen sukzessive wachsenden Campus der Fachhochschule. Sollte das Hallenbad im Osten oder die Wohnbebauung im Westen entfallen, kann der Campus entsprechend erweitert werden. Dabei liegt dieser Variante ein deutlich umfassenderes Konzept zugrunde, das auch weitere Bestandsgebäude in der Altstadt einbezieht.
- Im Siegerentwurf ist auf einer Achse entlang der Straße Inn-Stadt-Park zwischen Norma und Grundschule eine Reihe von im Endausbau fünf bis sechs Wohnhäusern mit „hochwertigen“ Wohnungen vorgesehen. Das Vorhaben dient vor allem der Finanzierung des neuen Hallenbades.
Gesamtbetrachtung und ein Plädoyer für die Campuslösung
Keine Lösung ist ideal. Denn letztlich ist ein Parkhaus auf einem Filetgrundstück der Stadt nicht ideal. Akzeptieren wir aber hier, dass es sein muss. Dann sollte es zumindest eine Lösung sein, die sich den Parkplatzbedarf – insbesondere dem zukünftig sinkenden – anpasst. Das spricht gegen die Planung im Siegerentwurf, die quasi alles an der zügigen Realisierung eines maximalen Parkhauses ausrichtet und auch keinen Rückbau sondern eine Umgestaltung vorsieht.
Ebensowenig akzeptabel ist der Verkauf von Filetgrundstücken in diesem Bereich zur Finanzierung des Hallenbades. Dabei ist es gleichgültig, ob die Grundstücke an einen Investor oder einzelne Wohnungen an viele einzelne Eigentümer verkauft werden. Was weg ist, ist weg. Stattdessen ist es deutlich plausibler, Grundstücke an der Mittelschule zu verkaufen, die derzeit für die Campuserweiterung freigehalten werden. Denn der Campus passt besser in die Innenstadt.
Nur in der Innenstadt hat der Campus das Potential, diese durch studentisches Leben auch zu beleben. Eine Lösung am Stadtrand bringt für Stadt und Studierende deutlich weniger Vorteile. Sie stellt den Campus an sich in Frage. Es geht nicht darum „Hochschulstadt“ auf das Ortsschild zu schreiben, es geht darum, für die Stadt neue Perspektiven zu schaffen und die Hochschule, ihre Mitarbeiter:innen und Student:innen im Herzen der Stadt aufzunehmen. Sie werden ohne jeden Zweifel die Stadt positiver beeinflussen als 30 neue Luxuswohnungen mit vielleicht 90 neuen Anwohner:innen.
Man hört den Einwand, der große Teil der Studierenden pendle ein und käme mit dem eigenen Auto. Das brächte erhöhtes Verkehrsaufkommen und erhöhten Parkplatzbedarf. Bisher ist allerdings im Industriegebiet nur für jeden Zehnten Studierenden ein Parkplatz auf dem 300m entfernten Parkplatz vorgesehen. Dabei ist der Campus nur mühsam mit dem ÖPNV zu erreichen.
Eine Verbesserung der Anbindung der Innenstadt durch ÖPNV ist längst überfällig und verringert den Parkplatzbedarf. Gerade bei einem Campus in der Innenstadt ergeben sich also erhebliche Synergien beim Ausbau des ÖPNV.
Die Erweiterung des Campus insbesondere um Masterstudiengänge wird die Studierenden länger an den Campus binden. Damit wird auch das Wohnen am Standort attraktiver. Unterstützt wird dies durch die Innenstadtlage. Einpendelnde Studierende werden bereit sein, 10 Minuten zu laufen und auf die Festwiese auszuweichen, wenn sie hierdurch Parkgebühren sparen können. Das Risiko einer Verkehrsüberlastung ist somit gering. Es wird noch dazu kompensiert, wenn der Nahversorger ein echter NAH-Versorger bleibt und auf weniger Kundschaft aus einem weiten Einzugsgebiet angewiesen ist. Auch der Wegfall des Hallenbades verringert die Verkehrsbelastung. Ebenso der Wegfall von mindestens 60 Parkplätzen, die für die Wohnungen des Siegerentwurfs notwendig sind.
Das Verkehrsproblem ist also deutlich geringer, als es dargestellt wird. Eigentlich ist es kein Problem.
Letztlich ist die Campus-Lösung die einzige, die eine echte neue Perspektive für die Stadt, insbesondere für die Innenstadt aufzeigt. Alle anderen Lösungen verharren in der Pflege des Ist-Zustandes. Die Lösung ist sukzessive umsetzbar. Schnell wäre ein Parkhaus zwischen Norma und Schwimmbad zu realisieren, schnell auch ein erstes Gebäude zwischen Schwimmbad und Inn. Das könnte dann auch einen neuen Nahversorger beherbergen. Ein zweiter Abschnitt ergäbe sich bei einem Rückbau des Hallenbads. Weitere Ausbaustufen sind perspektivisch denkbar. Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden.