Hinweis: In der Kategorie Kolumne
bieten wir eine Plattform für einzelne Mitglieder:innen, ihre ganz persönliche Meinung – durchaus auch einmal sehr pointiert – zu äußern und zu veröffentlichen. Dabei handelt es sich aber weder um die offizielle Meinung der Fraktion noch des Ortsverbands.
Bürgermeisters Bremserkoalition aus CSU, UM und AfD setzt konsequent auf Stillstand und Rückschritt. Bei der Mobilität und bei der Sitzungsdemokratie
Ein Jahr ist es nun her, dass Bürgermeister Hetzl von der UM und der neue Stadtrat ins Amt gewählt worden sind. Ein bleiernes Jahr wegen Corona. Ein bleiernes Jahr aber auch wegen dem Bürgermeister und seiner Koalition der Willigen aus CSU (10), UM (7) und AfD (2). Mit 20 von 31 Stimmen stellt der Block stramm rechts von der Mitte praktisch 2/3 des Stadtrats. So sieht auch die Kommunalpolitik aus. Es ist eine Politik von Besserverdienenden Selbständigen für sich und die eigene Klientel. Dass einzelne als Ausnahme von der Regel nicht in die Schublade passen, ist Mimikry. Die Entscheidungen des Blocks gegen die Kleinen, Schwachen und schlechter Verdienenden tragen alle geschlossen mit. Bei der Absage ans Warmwasser für die Obdachlosenunterkunft ebenso wie beim Verkehr und der Diskussionsverweigerung in den Sitzungen.
Nichts dagegen, dass der ein dickes Auto fährt, der es sich leisten kann. Er stützt damit ja auch eine Schlüsselwirtschaft. Der Stadtrat als Vertretung aller Bürgerinnen und Bürger in Mühldorf aber hat Verantwortung auch für die wachsende Zahl derer, die sich nicht jedes Jahr einen neuen SUV (oder auch mehrere) leisten können.
Unter Bürgermeisterin Zollner hatte der Stadtrat 2019 ein ÖPNV-Konzept über 320.000 Jahreskilometer Fahrleistung für den Stadtbus beschlossen. Ein in mehrfacher Hinsicht mangelhaftes Konzept. Aber immerhin ein Verdopplung der Kilometerleistung nach über 20 Jahren Feigenblatt-Stadtbus. Hetzl und seiner Bremserkoalition war sogar der Stillstand zuviel. Mit 120.000 Jahreskilometern, beschlossen 2020, wurde beim ÖPNV der Rückschritt zum neuen Ziel erklärt. Bravo!
Im letzten Hauptausschuss hat die CSU-Fraktion mit einem Antrag für eine zusätzliche Haltestelle in Altmühldorf und zwei zusätzliche Fahrten aus Mößling eingeräumt, dass der beschlossene Rückschritt doch suboptimal war. Ob in absehbarer Zeit tatsächlich Verbesserungen umgesetzt werden? Wohl zu schön, um wahr zu sein.
Nach dem Totalversagen von Bürgermeister, Verwaltung und schwarzorangeblauer Mehrheit beim ÖPNV 2020 kam im lediglich beratenden Stadtentwicklungsausschuss am 10. März 2021 endlich das Verkehrskonzept von 2018 für den neuen Flächennutzungsplan auf die Tagesordnung. Neben vier denkbaren Spangen für Umgehungsstrecken beim motorisierten Durchgangsverkehr enthielt es zahlreiche Detailvorschläge für den Radverkehr. Bürgermeister und Ausschussmehrheit glänzten mit Unkenntnis oder Ignoranz der Geschäftsordnung und verweigerten dem Verkehrsreferenten das Wort mit der Begründung, er sei nicht Ausschussmitglied.
Im Hauptausschuss am 14. April 2021 standen dann mehrere Anträge zur Verbesserung der Radinfrastruktur zur Beschlussfassung an. Sogar die Verwaltung hatte sich dafür ausgesprochen, in der Altstadt mehrere Einbahnstraßen für Radfahrer im Gegenverkehr freizugeben. So viel Radlerfreundlichkeit war dem Bürgermeister und den Vertretern von CSU, UM und AfD dann doch zu viel. Die Vorschläge der Grünen wurden mit schwarzoranger Mehrheit abgelehnt. In den Ausschüssen hat sich die CSU über d’Hondt die AfD-Stimme gesichert. Bei den Entscheidungen zur Mobilität macht das aber keinen Unterschied. Stillstand bleibt die Devise!
Am 21. April verabschiedete das Bundeskabinett den Nationalen Radverkehrsplan. Und Überraschung: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) verkündete am 27. April auf dem Nationalen Radverkehrskongress in Hamburg , er wolle Deutschland zum Fahrradland machen. „Geld wie nie“, bis 2023 fast 1,5 Milliarden Euro aus Bundesmitteln solle in den Radverkehr fließen.
Eine Steilvorlage für den Mühldorfer Stadtrat, der am 29. April über den Beitritt der Stadt zur „Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern e.V. (AGFK Bayern)“ beschließen konnte. Ein Netzwerk bayerischer Kommunen, das 2012 von 38 Gründungsmitgliedern mit maßgeblicher Unterstützung der Bayerischen Landesregierung ins Leben gerufen wurde. Ihr vordergründiges Ziel ist, nach einem vierjährigen Prozess durch das CSU-geführte Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr offiziell den Titel „Fahrradfreundliche Kommune in Bayern“ verliehen zu bekommen.
Leitidee des Vereins war und ist der Netzwerkgedanke und regelmäßige Erfahrungsaustausch. Erfahrungen lokaler Projektarbeiten werden allen Mitgliedern zugänglich gemacht und ermöglichen Synergieeffekte, die alleine nur schwerlich erreichbar und umsetzbar wären. Politik und Verwaltung erhalten mit der koordinativen Geschäftsstelle der AGFK Bayern einen zentralen Ansprechpartner. Mittlerweile gehören bayernweit 83 Landkreise, Städte und Gemeinden dem Netzwerk an. Und es werden immer mehr.
Zentrales Anliegen des Vereins ist die feste organisatorische Verankerung der Radverkehrsförderung als einen wesentlichen Baustein zukünftiger Mobilitätsabwicklung….
Ziele der AGFK
- MEHR INFRASTRUKTUR: Wenn Radfahren Spaß machen soll, müssen Radfahrerinnen und Radfahrer den nötigen Platz im öffentlichen Raum bekommen – auf der Fahrbahn, auf Radwegen, in Bussen und Bahnen sowie bei den Abstellflächen.
- MEHR RADKULTUR: Die Verkehrsmittelwahl ist immer auch eine Imagefrage. Ziel der AGFK Bayern ist es zu zeigen, dass das Rad positiver und gern gesehener Teil der Stadt- bzw. Kreiskultur ist.
- MEHR SICHERHEIT: Nur wenn das Rad als sicheres Verkehrsmittel wahrgenommen wird, steigen mehr Menschen aufs Fahrrad um. Verkehrssicherheit für Radfahrer ist daher ein wichtiges Ziel der AGFK Bayern.
- MEHR UMWELTSCHUTZ: Eine umweltfreundliche Nahmobilität trägt wesentlich zum Umwelt- und Klimaschutz bei. Daher gehört es zu den zentralen Anliegen der AGFK Bayern, den Anteil des Rad- und Fußverkehrs im Modal-Split zu erhöhen.
Mitgliedskommunen der AGFK Bayern fühlen sich diesem Anliegen verpflichtet und setzen sich zum Ziel die offizielle Auszeichnung als „fahrradfreundliche Kommune in Bayern“ durch das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr verliehen zu bekommen. [1]
Was spricht dagegen? 2500 Euro würde das pro Jahr kosten. Der Verkehrsreferent hat ein Jahresbudget von 2000 Euro. Der Bürgermeister könnte bis 65.000 Euro in eigener Verantwortung ausgeben. Mühldorf müsste nach der Vorgabe von Bundesverkehrsminister Scheuer 630.000 Euro pro Jahr für den Radverkehr in die Hand nehmen, 30 Euro pro Bürger. Allein der Investitionshaushalt 2021 der Stadt Mühldorf beträgt 19 Millionen Euro, der Gesamthaushalt 78 Millionen Euro.
Was macht der Bürgermeister? Er will keinen Cent für die AGFK ausgeben und keinen Namen von einer der 83 bayerischen Kommunen hören, die der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen in Bayern seit 2012 beigetreten sind. CSU, UM und AfD im Mühldorfer Stadtrat auch nicht.
Wie schon in den Sitzungen zuvor entzieht die Koalition der Willigen auf Geschäftsordnungsantrag diesmal des Bürgermeisters Stadtrat und Verkehrsreferent Gafus das Wort. Der Antrag auf Beitritt zur Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen wird vom orangeblauschwarzen Bremserblock geschlossen abgelehnt. Nur drei Kolleg:innen von der Linken und der SPD unterstützen den Antrag der Grünen.
Begründung in der Vorlage der Verwaltung:
„Die Verwaltung wird auch ohne Beitritt bei der AGFK die Belange der Radfahrer weiter sehr ernst nehmen und die dafür erforderliche Infrastruktur stetig verbessern.“
Wie erfolgreich sie dabei bisher war, ist an der Zahl von 15 Prozent Radfahrern in der Stadt abzulesen. Dabei würden 60 Prozent der Bevölkerung gern oder sehr gerne mit dem Rad fahren. Wenn eine entsprechende sichere und attraktive Infrastruktur vorhanden wäre.
Wie sehr Bürgermeister und Verwaltung bei ihren laufenden Geschäften die Interessen der Fußgänger und Radfahrer im Blick haben, ist rund um die Uhr an der seit Monaten bestehenden fußgänger- und radfahrer“freundlichen“ Umleitung am Krankenhausberg für die schwächeren Verkehrsteilnehmer zu sehen.
Die schwarzorangeblaue 2/3-Mehrheit des Mühldorfer Stadtrats will offiziell keine fahrradfreundliche Kommune in Bayern werden. Entgegen der Ankündigung ihres Fraktionssprechers hat die Mühldorfer CSU-Fraktion ihren Bundesverkehrsminister dann also doch im Regen stehen gelassen. Die Fahrradförderungen von Bund und Land sollen andere Kommunen beantragen. Eine feine Geste für die anderen. Aber eine Ohrfeige für alle Mühldorferinnen und Mühldorfer, die der Wahlpropaganda von CSU und UM in Sachen Förderung der Radmobilität auf den Leim gegangen sind.
Mühldorf bleibt die nächsten fünf Jahre eine autogerechte Stadt und bekommt Stellplätze und Parkdecks. Radeln ist für Ökos und von vorgestern. Sollen sich die Kinder, Jugendlichen und Alten in der Stadt doch ein SUV kaufen. Damit sie endlich richtig über den Stadtplatz brettern können.
Bürgermeister Hetzl und sein orangeschwarzblauer Block werden auch die nächsten fünf Jahre dafür sorgen, dass alles so bleibt wie es ist. Freie Fahrt für freie Bürger. Auch in den Stau-GAU nach Corona.
Dr. Georg Gafus
Referent für Verkehr
Nachtrag
Wer sich über die aktuellen Mitglieder der AGFK informieren will:
https://agfk-bayern.de/mitglieder-karte/
Eine Gesellschaft, die der Kreisstadt Mühldorf gut angestanden hätte. Nicht nur mit München, Augsburg und Nürnberg. Sondern auch mit Kolbermoor, Bruckmühl, Dorfen, Erding, Freising, Landshut, Pocking und Passau. Eine Gesellschaft, in der man sich nicht schämen müsste. Schon eher darüber, dass die eigene Kommune nicht dazugehören will.
Keine Rolle gespielt hat bei der Entscheidung von Verwaltung und Bürgermeisterkoalition sicher der Umstand, dass beim Beitritt eine Bestandsaufnahme und nach vier Jahren eine Hauptbereisung durchgeführt würde um dann festzustellen, ob der Titel fahrradfreundliche Kommune in Bayern erteilt werden kann. Das braucht’s nicht, in Mühldorf erlebt der Radlfahrer alle paar Meter, wie freundlich ihm Verwaltung und Ratsmehrheit gesonnen sind.