Antrag
Die stählernen Querbalken zur Vollsperrung der Treppen am Stadtwall im Zeitraum vom 15.11.-31.3. werden abgebaut. Die Verkehrssicherung erfolgt durch Maßnahmen, die an Tagen ohne Eis und Schnee die Nutzung der Treppen auch in den Wintermonaten zulassen.
Begründung
Im Stadtrat besteht Einigkeit, die Attraktivität und Lebensqualität der Stadt für Bewohner:innen und Besucher:innen zu stärken. Dazu gehört auch ein attraktives Netz an Verkehrswegen für Fußgänger:innen, Radfahrer:innen und motorisiert Mobile. Besondere Verantwortung hat die Kommune für Personen mit Mobilitätseinschränkungen: Kinder, Senior:innen und Menschen mit Behinderungen.
Besondere Bedeutung für die Mobilität der Zukunft und die Lebensqualität in der Stadt hat die Förderung der Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum, der Ausbau der Fuß- und Radwege und die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs (vgl. Jan Gehl, Städte für Menschen).
Die alljährliche traditionelle Sperrung der großen Treppen am Stadtwall in der Zeit vom 15.11. bis zum 31.3. steht diesem Ziel einer attraktiveren Stadt mit höherer Lebensqualität insbesondere für Fußgänger:innen diametral entgegen. Die Anzahl der Tage, an denen eine Vollsperrung der Treppen aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht angezeigt sein könnte, ist seit vielen Jahren überschaubar. Die Treppen trotzdem 135 Tage im Jahr und damit länger als ein Drittel des gesamten Jahres zu sperren, ist unverhältnismäßig und wirkt angesichts des Klimawandels wie ein Schildbürgerstreich.
In einem Schreiben zur Sache führte das Rechtsamt am 16. April 2021 aus: „Im Hinblick auf diese außergewöhnliche Gefahrenlage ist eine bloße Beschilderung haftungsrechtlich nicht ausreichend, vielmehr muss das Betreten zudem faktisch verhindert werden. Die anzubringenden Sperren müssen dabei nicht völlig umgehungssicher sein, sie müssen jedoch so gestaltet sein, dass man sie klar als Durchgangsverbote wahrnimmt.“
Im Sinne dieses Schreibens bitte ich zu prüfen, welche alternative Maßnahme anstelle der stählernen Querbalken (im Dringlichkeitsantrag vom 15.12. launig „Vollpfosten“ genannt) am zweckdienlichsten wäre (Schlagbaum, Kette…?).
Vorziehen würde ich aber nach Absprache mit dem Versicherungsträger ein anderes Vorgehen in Anlehnung an die Praxis der Bergsteigergemeinde Ramsau im Berchtesgadener Land. Diese hat Verkehrssicherungspflicht für viele Treppen und Wanderwege im Gemeindegebiet und erheblich mehr Tage mit Schnee und Eis als Mühldorf a. Inn. Nach telefonischer Auskunft kommt die Gemeinde ihrer Verkehrssicherungspflicht zur vollsten Zufriedenheit des Unfallversicherers nach – ohne eine einzige Vollsperrung mit einem Querbalken.
Was das Bergsteigerdorf Ramsau zwischen Watzmann und Hochkalter seinen Bewohnern und Gästen ermöglicht, sollte auch der Hochschul- und Einkaufsstadt mit Herz Mühldorf a. Inn möglich sein.
Die Treppen am Stadtwall verkürzen die Wege zwischen Bahnhof/Landratsamt/Schulen und der Altstadt erheblich und werden von Schülerinnen und Schülern ebenso wie von Beschäftigten in Betrieben und Behörden am Morgen, in der Mittagspause und am Abend gerne und zahlreich genutzt. Sie steigern damit auch die Besucherfrequenz der Geschäfte in der Altstadt. Bei guter Witterung bilden die Barrieren monatelang ein unnötiges Hindernis, das unfallträchtig umgangen oder anderweitig überwunden wird. Wurde juristisch abgeklärt, ob die erhebliche Gefahr, die von der Sperrung ausgeht, nicht sogar ein zusätzliches Haftungsrisiko darstellt?
Der Zeitraum vom 15.11.-31.3. ist willkürlich, da auch am 1.11. oder am 15.4. Schneefall oder Eis nicht auszuschließen sind. Auch die anderen Wege am Stadtwall werden nicht geräumt und gestreut, so dass auch dort im traditionellen Sperrungszeitraum witterungsbedingte Unfälle möglich sind.
Niemand kann von der Kommune verlangen, dass im Winter bei Schnee oder Eis alle Verkehrswege gleichzeitig geräumt und gestreut werden. Sie kommt ihrer Verkehrssicherungspflicht im Rahmen des Zumutbaren nach, wenn sie einen Streu- und Räumplan mit Prioritäten erstellt und diesen umsetzt. Auch Fußgänger:innen haben sich im Winter den gegebenen Straßen- und Wegeverhältnissen anzupassen.
Mühldorf, 14. Januar 2022
Dr. Georg Gafus
Referent für Verkehr