Hinweis: In der Kategorie Kolumne
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Kommunalpolitische Zahlenkompetenz in der Stadtratssitzung.
77 Millionen Euro Gewinn – so hätte Bürgermeister Hetzl den städtischen Haushalt verkünden müssen, wenn er den gleichen Maßstab angelegt hätte wie beim Haushalt des Erzbistums München und Freising. Oder Landrat Heimerl den Landkreishaushalt: „148 Millionen Euro Gewinn!“ Auf die Idee käme der nie. Er kennt sich mit einem doppischen Haushalt aus.
Bei der Diskussion um den städtischen Zuschuss für den Umbau und die Erweiterung der Kinderwelt St. Laurentius zur Inklusionseinrichtung hat der Bürgermeister doch in der Tat behauptet, die Erzdiözese München und Freising mache 880 Millionen Euro Gewinn. Als ich verwundert nachfragte, wie er denn zu dieser Zahl komme, genügte dem Bürgermeister ein kurzer Blick auf sein Mobiltelefon. Und er wiederholte: „880 Millionen Euro Gewinn. Steht da.“
Fakt ist: Die offizielle Planung der Gewinn- und Verlustrechnung der Erzdiözese München und Freising kann von jederfrau und jedermann nachgelesen werden im Haushaltsbericht 2020. Als Auszug in der Broschüre „Informationen zur Kirchensteuer 2020“, die in vielen Kirchen aufliegt, oder ausführlich auf der Internetseite des Ordinariates.
Dort ist bei den Erträgen eine Summe von 839 Mio. Euro ausgewiesen und bei den Aufwendungen eine Summe von 872 Mio. Euro. Auf 880 Millionen, wie vom Bürgermeister behauptet, kommt man da nur bei großzügiger Rundung. Vor allem aber: Weder Aufwendungen noch Erträge sind ein „Gewinn“. Sondern eben die Summe der eingehenden oder ausgehenden Beträge.
Mit den aktuell sinkenden Kirchensteuereinnahmen (2020 rund 800 Millionen Euro oder -6 Prozent deutschlandweit) fällt es den Kirchen zunehmend schwer, ihre Aufgaben zu finanzieren. Das trifft wohl auch die Erzdiözese München und Freising. Wenn sie trotzdem bereit ist, in Altmühldorf Umbau und Erweiterung der Kinderwelt zur Inklusionseinrichtung zu stemmen, sollte der Bürgermeister dankbar sein statt das wohlfeile Klischee von der „reichen Kirche“ aufzutischen und beim Zuschuss gerade für die Kinder und Familien zu knausern, die die Unterstützung der Stadt am stärksten brauchen. Von der haarsträubenden Inkompetenz beim Lesen einer Bilanz ganz zu schweigen. Im Unterschied zu den Kirchen in Deutschland sind die Einnahmen der Stadt Mühldorf stabil. Auch dank der von den Grünen angeregten Hebesätze, gegen die sich CSU und UM so lange gestemmt haben, bis es gar nicht mehr anders ging.
Si tacuisses – wenn Du nur geschwiegen hättest, beginnt ein lateinisches Sprichwort. Wenn es um Finanzfragen geht, sollte sich das der Mühldorfer Bürgermeister im großen Format ins Amtszimmer hängen. Und bei großen Zahlen lieber auf seine Kämmerei und kritische Rückfragen der Grünen hören.
Dr. Georg Gafus